Haushaltsrede 2012

Die Haushalsrede von Willibald Mertens.

Herr Bürgermeister, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in diesem Jahr 2011 reden wir nun schon zum zweiten Mal über einen Haushaltsplanentwurf. Eine Besonderheit in der jetzigen Legislaturperiode, in der wir fast die Halbzeit erreicht haben. Im Frühjahr -mit erklärbarem Verzug- über den des aktuellen Jahres 2011 und jetzt über den Etat für das Jahr 2012.

Ein Umstand, der sich im Hinblick auf den Haushalt 2012 nicht daraus ableiten lässt, dass die Fakten dieses dicken Wälzers für uns abschließende, diskutabele und/oder entscheidungsfähige Informationen liefern. Nein, der Druck “von oben” bis zum Tag X 30.11.2011 entschieden haben zu müssen, ist der Grund für den Zeitpunkt, hier und heute einen Beschluss über unseren kommunalen Haushalt zu fassen. Es ist schon ein kleines Kunststück, das der Kämmerer mit der Aufstellung des Etats vollbracht hat. Ohne verläßliche Eckdaten vom Land, ohne fundierte Aussagen zu möglichen Hilfen oder neue Aufgaben durch das Land und den Bund und so weiter und so weiter. Ihr jonglieren mit den Zahlen, Herr Schlüter, erinnert mich stark an einen der berühmtesten Jongleure Enrico Rastelli. Der konnte mit zehn Bällen gleichzeitig arbeiten. Aber was ist das schon gegen das jonglieren mit unserem Millionendefizit.

Trotzdem werden Sie verstehen, dass wir bei dieser Finanz-Schieflage mit dem Applaus ob dieser Leistung sparsam umgehen. Denn bei unserer, seit Jahren bestehenden finanziellen Situation gibt es keinen Grund zum jubeln. Ich denke, da sind wir und alle hier im Saal und auch mit den meisten Bürgerinnen und Bürgern in unserer Stadt einig..

Ich erwähnte es gerade, zwei Jahre und fast drei Monate unserer Amtszeit sind um. Vergleicht man dieses mit einem Fußballspiel heißt das für uns:  Bald beginnt die zweite Halbzeit. Und um im Bild zu bleiben: Bei uns, der WBG, ist in der ersten Halbzeit nicht alles rund gelaufen, manchmal zu scharf geschlagene Flanken, fast Eigentore und auch die ein oder andere unnötige Abseitssituation haben uns nicht immer gut aussehen lassen. Wir haben- wie im richtigen Spiel auch- mittlerweile in der Kabine untereinander Klartext geredet und uns an das eigentliche Ziel erinnert. Ein gutes Spiel für unsere Fans -unsere Wählerinnen und Wähler- und damit auch für Werdohl abzuliefern. Hinweise auf das Regelwerk der WBG und die Neuordnung von Positionen lässt uns zuversichtlich in die Zukunft schauen.

Herr Bürgermeister, wir von der WBG sind im übrigen auch der Meinung, dass die Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihrem Team gut funktioniert. Auch wenn wir nicht alle Vorschläge und Beschlussvorlagen der Verwaltung mittragen konnten, ist nicht zuletzt durch einen sachlichen Umgang mit vielen Themen einiges in unserer Stadt gut angelaufen. Wobei, Sie gestatten mir die Bemerkung, liebe Ratskolleginnen und Kollegen, allein die Tatsache eine Mehrheit für einen Beschluss zu bekommen, nicht automatisch auch bedeutet, die beste Lösung erreicht zu haben.

Die WBG hatte in Sachen Umbau der “Roten Schule” in eine Kindertagesstätte andere Vorstellungen, die zumindest überlegenswert gewesen wären. Bei einem Volumen von rd. 1.5 Mio Euro wäre es nach unserer Sicht der Dinge immerhin möglich gewesen, die Entscheidung für den Umbau der “Roten Schule” noch um wenige Monate hinauszuschieben, um gemeinsame nach vielleicht doch preiswerteren anderen Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Sie, Herr Bürgermeister, haben mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch die angestellten Berechnungen für den Umbau das Pendel der Mehrheit im Rat zu Gunsten Ihres Lösungsvorschlages ausschlagen lassen. Hoffen wir, dass diese Rechnung dann auch aufgeht.

Hoffen wir aber auch, dass wir gemeinsam in der Schulpolitik eine gute Lösung finden werden. Denn gerade bei diesem Thema wird deutlich, wie Politik machmal ticken kann. Das gerade medienwirksame Erreichen eines “Schulfriedens” auf Landesebene verschleiert zumindest die schulpolitische Tatsache, dass die Auseinandersetzung um den Bestand unserer Schulen jetzt vor Ort, mit oder gegen unsere Nachbarstädte, gelöst werden muss. Hier sollten wir rechtzeitig miteinander und vor allen mit den Fachleuten aus den Schulen konzeptionelle Gedanken entwickeln.

Aufgegeangen ist schon jetzt u.a. eine andere Rechnung. Der Stadtumbau West. In Kurzform könnte man sagen: Gutes Konzept vorgelegt, Fördermittel richtig beantragt, Bewilligung der Zuschüsse erhalten und angefangen, die Dinge in die Realität umzusetzen. Herr Griebsch, wenn dieses in solch einem rasanten Tempo passiert wäre, hätten Sie und wir noch mehr Grund zur Freude.

Die Regionale 2013 und das Projekt Radnetz Südwestfalen und was sich da sonst noch in wohlklingenden Formulierungen für Fördertöpfe verbergen mag, könnte für unsere Lenne und ihre “Uferbereiche” eine grundsätzliche Veränderung bringen. Parkanlagen, Plätze für die Freizeitgestaltung mit Sport und Spiel und vieles mehr. Die schon jetzt wirklich sehr gut gestaltete Lenne-Promenade mit der Fontäne und dem kleinen Skulpturenpark sind viel mehr als ein Anfang. Die Kletterwand an der Altenaer Straße ist bereits ein, wie es die Marketingfachleute nennen “Alleinstellungsmerkmal”. Viel Engagement und vor allem das von Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt haben die Realisierung möglich gemacht. Dafür hier und heute von meinen Fraktionsmitgliedern ein herzliches Dankeschön.

Es hat sich also schon einiges getan und es wird sich noch mehr tun. Auch allen Unkenrufen zum Trotz: Der Bahnhof wird wieder ein Schmuckstück unserer Stadt. Denkmalgerecht restauriert und mit einem Nutzungskonzept, das wieder Leben in das stadtbildprägende Gebäude bringt. Ich freue mich darüber und das besonders mit all denjenigen, die sich schon seit Jahren für den Erhalt ausgesprochen und vor allem eingesetzt haben. Am Bahnhof herrscht eine gute Gemeinschaft der Gewerbetreibenden und der Anwohner. Davon konnte sich jeder, der es wollte, bei den gelungenen Veranstaltungen im Bahnhofsviertel überzeugen. Bleibt zu hoffen, dass sich endlich auch im Inselkomplex etwas positives tut. Auch wenn der Bestand dort nicht die Bemühungen und die Erfolge rund um den Bahnhof schmälern kann: Schön ist anders !!

Der Stadtumbau West wird unsere Stadt nachhaltig verändern. Gut, dass Sie, Herr Bürgermeister, die Bürgerinnen und Bürger bei dieser Entwicklung mitnehmen. Mit dem gerade installierten Citymanagement und dem Stadtumbauladen sind für jeden Interessierten die Möglichkeiten geschaffen worden, sich zu informieren. Wer will, kann mit seinen Ideen, Wünschen und auch seiner Kritik aktiv am Geschehen teilnehmen und etwas für unser Werdohl tun. Eine Chance für eine gute Verbindung oder sollte ich sagen für einen bürgerschaftlichen Pakt. Ich glaube, dieser Pakt wird funktionieren.

Ob das beim Stärkungspakt für die notleidenden Kommunen auch so sein wird, steht nach meiner Auffassung noch längst nicht fest. Wenn ich die Stimmen wahrnehme, die von den Städten erhoben werden, die in den Pakt Ausgleichszahlungen einbringen sollen, bin ich eher skeptisch. Und ehrlich gesagt: Ich kann nachemfinden, was in den Köpfen der betroffenen Bürgermeister und Ratsvertreter dieser Städte vorgeht, Solidarität hin oder her.

Da hat man dort über Jahre alles getan und / oder auch nur etwas mehr Glück als andere Kommunen gehabt und sich einem ausgeglichenen Haushalt mühsam angenähert, das Ziel erreicht und soll abgeben. Vielleicht sogar an die, die nach dem rheinischen Motto “es ist noch immer alles jut jejange” mehr oder weniger drauflos gelebt haben. Die bereits angedrohte Klagewelle könnte heftig ausfallen.

Auch die Kommunen, die am Stärkungspakt teilnehmen, wissen mit letzter Deutlichkeit noch nicht, welche Einschränkungen auf sie zukommen. Dass die Aufsichtsbehörde die Daumenschrauben noch einmal anziehen wird, ist nahezu sicher. Es darf jedoch nicht soweit gehen, dass die kommunale Selbstverwaltung dabei auf der Strecke bleibt. Ich stelle mir -zugegeben völlig überspitzt- vor, dass dann der sog. Sparkommissar entscheidet, ob eine Gemeinde zwei- oder vierlagiges Toilettenpapier einkauft. Eine grauselige Vorstellung. Tatsache ist aber auch: Werdohl wird aller Voraussicht nach 2013 eine überschuldete Kommune sein.

Wir können nur hoffen, dass über unsere Ausgabenwünsche ein Sparkommissar nach sachgerechter Ermittlung Entscheidungen fällen wird und nicht ein Sparvollstrecker, welcher mit der Sparguillotine alles abhackt. Denn wenn ich richtig informiert bin, Herr Schlüter, gibt es für diese Fälle keine verbindlichen Handlungsanweisungen.

Wir hier in Werdohl sind doch in Sachen des “eingeschränkten Umganges mit nicht vorhandenen Haushaltsmitteln” sehr erfahren. Dabei haben wir als WBG das Glück in Anführungsstrichen, an der Mangelverwaltung erst seit gut zwei Jahren beteiligt zu sein. Wir konnten und haben uns nur das Machbare und davon auch nur das Unabweisbare geleistet.

Großes, und so ist es auch beim Stadtumbau West, läuft nur, wenn auch die Fördermittel laufen. Und selbst dabei zwingt manchmal der unvermeidliche Eigentanteil, der von uns aufzubringen ist, zu “finanzartistischen Kunststückchen”. Rastelli lässt grüßen. Müssten wir im Jahr 2013 unsere Haushaltsmittel an einem Bankautomaten abholen, käme wohl sehr schnell -geht man von Herrn Schlüters nachvollziehbaren Berechnungen aus- die Mitteilung auf dem Bildschirm: “ Ihr Verfügungsrahmen ist ausgeschöpft – Keine Zahlung mehr möglich “

Ein Fünkchen Hoffnung besteht vielleicht jedoch mit Blick auf eine Nachbarstadt, die trotz Überschuldung offenbar noch immer in der Lage ist, bei einigen Projekten den auf die Kommune entfallenden Eigenanteil zu schultern, z.B. für einen Aufzug, für Terrassen über dem Flußbett, für die Umgestaltung der Straßenbeleuchtung auf LED und auch auf die Zins- und Tilgungslasten für ein interkommunales Gewerbegebiet.

Ich darf mich an dieser Stelle bei den Fraktionen von SPD und FDP bedanken, dass beide in den Anträgen zum Haushalt 2012 das Thema “Gewerbepark Rosmart” aufgegriffen und Maßnahmen zur besseren Vermarktung eingefordert haben. Diese bessere Vermarktung hatte ja auch bereits die Mittelstandsvereinigung der CDU im Frühjahr 2010 gefordert und dabei den Gewerbepark Rosmart als Fass ohne Boden bezeichnet. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass sich auf Dauer eine Nothaushaltskommune mit Blick auf die Überschuldung über einen längeren Zeitraum jährliche Zins- und Tilgungszahlungen in einer Höhe von rd. 300.000 Euro nicht leisten kann.

Herr Bürgermeister, Sie haben in Ihrer Rede zur Einbringung des Haushalts 2012 gesagt: “Meine Damen und Herren, die nächsten Jahre werden nicht leicht ! Darauf müssen wir uns alle einstellen und vorbereiten, und zwar Partei- und auch wahlperiodenübergreifend !” Wir teilen diese Auffassung und sind zu dieser partei- und wahrperiodenübergreifenden Arbeit bereit. Wobei natürlich für letzteres das Ergebnis der nächsten Kommunalwahl nicht unwichtig ist. Und das nicht nur für die WBG !!

Unser Ehrenbürger Arnold Menshen hat immer wieder bei öffentlichen Anlässen, bei denen sein bemerkenswerter und über alle Maßen erfolgreicher persönlicher Werdegang hervorgehoben wurde, sinngemäß gesagt: “Der einzelne kann nichts erreichen, nur gemeinsam sind wir stark.” Ein Motto, dem es sich zu folgen lohnt. Was würden wir nicht noch alles tun, etwas auf den Weg zu bringen für unsere Stadt. Aber die Spielräume sind erdrückend eng. Es wird in den nächsten Monaten, ja Jahren vermehrt um den Abbau oder neudeutsch das modifizieren der Standards gehen. Ein schwieriges Unterfangen, das noch nicht einmal vergnügungssteuerpflichtig ist. Standards beim Winterdienst, bei den Spielplätzen usw. usw. Es wäre keine kurze Liste, die ich Ihnen und auch mir ersparen möchte. Dennoch: Nicht darüber zu reden wäre fahrlässig. Die Konsequenzen daraus würden uns noch härter treffen.

Herr Bürgermeister, Sie haben in Ihrer Haushaltsrede viele begonnene und zum Teil schon abgeschlossene Projekte aufgezählt die gerade in unserer finanziellen Situation beachtlich sind. Auszugsweise reicht dabei Ihr Spannungsbogen vom Stadtumbau West, über den Ausbau von Kita-Plätzen zur Betreuung von Kindern unter drei Jahren, die Renaturierung von Gewässern, die Husbergbrücke bis zur Tunnelüberführung an der Altenaer Straße und weiteren Maßnahmen. Es bewegt sich also eine ganze Menge. Das ist gut für uns, aber auch eine Art von Belohnung für all diejenigen, die ehrenamtlich unheimlich viel für Werdohl tun. Es ist eine Binsenweisheit, die ich mich trotzdem nicht scheue, nochmals hervorzuheben. Ohne Ehrenamtler liefe vieles nicht in dieser Stadt. Ohne engagierte Privatleute und heimische Unternehmer wäre manches Licht gar nicht angegangen und bei anderen Projekten wäre schon längst die Luft raus. Dafür Danke an dieser Stelle.

Im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Feuerwehrnachwuchs habe ich mir die Frage gestellt, was können wir als Kommunalpolitiker für diese Gruppen tun ? Wir sollten, besonders fern von Wahlterminen, die Vereine und Organisationen besser kennenlernen und dann im Bekanntenkreis und in der Öffentlichkeit von deren Arbeit berichten. Also dafür Werbung machen. Dazu müssen unbedingt auch die weiteren Anstrengungen im Hinblick auf die Integration zählen. Es ist bedauerlich, dass wir einen großen und in der Sache gerechtfertigten Aufwand betrieben haben und aktuell noch betreiben, der Erfolg in Sinne von einem Miteinander der Nationen aber nur sehr begrenzt festzustellen ist. Fast unverständlich ist in diesem Zusammenhang die Situation der Mitarbeit in Ausschüssen, auch im Integrationsausschuß. Hier wird durch die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger unserer Stadt oder unseren deutschen Mitbürgern mit Migrationshintergrund nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit des verantwortungsvollen Mitwirkens genutzt. Das ist leider eine ungenutzte Chance, die Probleme unserer Stadt zu verstehen und an der Lösung dieser Probleme verantwortlich mitzuwirken. Dabei ist es ganz einfach zu verstehen, dass gegenseitiges Kennenlernen eben nicht nur am Tag der offenen Moschee oder beim Stadtfest passieren kann. Gegenseitiges Kennenlernen muss zum Tagesgeschäft gehören.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.